Reisebericht Agua Azul – ein nervenaufreibender Ausflug.
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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. - Nicht immer sind diese Erlebnisse schöner Art. Manchmal kommt man hin und wieder an seine Grenzen, wird mit den unangenehmsten Themen konfrontiert ; So wie bei unserer Autofahrt zu den türkisfarbenen Cascadas de Agua Azul. Sie gelten als die schönsten Wasserfälle Mexikos - aber bis wir dort ankamen, wurde heftig an unserem Nervenkostüm genagt. Eine Geduldsprobe, die sich lohnte?
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Reisebericht Agua Azul


Ein perfekter Morgen in Palenque.

"Was machen wir heute?"
Das Beste was einem Backpacker passieren kann, ist es sich mit ein paar lieb gewonnen Menschen in einem Ort gemütlich zu machen, wie wir in Palenque - der absolute Wahnsinn ist es, wenn einer von diesen Leutchen ein eigenes Auto hat und dieser Jemand auf oben gestellte Frage antwortet : "Ladys, wir fahren heute zu den Wasserfällen Agua Azul!"

Noch ein selbst gemachter Dshungelsnack in der Freiluft- Hostelküche gezaubert, entspannter als entspannt 2 Käffchen am Pool gekippt und so spät wie wir wollten den Motor gestartet. Perfekter kann ein Tag nicht beginnen, Fakt!

Wo man so schön im Dschungel seine Käffchen am Pool kippen kann? Hier : Cabanas Kin Balam Palenque.
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Cabanas Kin Balam, Palenque

Die Fahrt nach Agua Azul : reine Nervensache.

Unser weiblicher Cheuffeur Daniela fuhr nicht das erste Mal in Mexiko - sie lebt hier und kennt sich auf den Straßen Chiapas` aus, was dem ganzen das I-Tüpfelchen aufsetzte. Der Weg führte erst über normale Bundesstraßen, dann wurde es hin und wieder mal komplizierter, als wir dem Nationalpark näher kamen. Langsam fahren ist angesagt, selbst wenn die Mexikaner drängeln wie verrückt. Was uns aber noch blühen sollte, davon wussten wir noch nichts.

Vorsicht : Abgründe.

Meine Güte. Wir fuhren auf Straßen, die in blitz-förmiger, waagerechter Anordnung aufgerissen waren. Straßenabschnitte völlig versetzt, Löcher im Boden. Eine Straße war einfach vom Mittelstreifen ab herunter in einen Abgrund gebrochen - Rückstände des Erdbebens 2017, hallo bittere Realität. Das Staunen über diese Naturkraft lässt schon etwas Gänsehaut zurück. Daniela aber war trotz ihres angestiegenen Stresslevels ziemlich ruhig und sicher unterwegs.

Vorsicht : Straßensperren.

Eine weitere Besonderheit, die öfter mal in Mexiko auftritt ist das Überwinden von Straßensperren durch und MIT Kindern. Auf bekannten, aber eher ruhigen Strecken zu Ausflugszielen, werden in ärmeren Regionen gerne mal die Straßen gesperrt. Es stehen dann meist Kinder links und rechts der Straße, zwischen ihnen ist ein Seil oder irgendwas der Art gespannt. Das Problem ist : man kommt evtl. in eine moralische Patz-Situation, und dort dann nicht mehr so leicht heraus - wie wir.

Das Stresslevel steigt.

Wir mussten durch ca. 7 solcher Sperren durch, was Danielas Blutdruck ab Nr. 5 endgültig in die Höhe trieb und auch mir langsam den Schweiß auf die Stirn.
Immer wieder anhalten, in traurige Gesichter schauen, verhandeln, um Durchfahrt bitten, ein Taschengeld geben oder Sachen abkaufen, die Ärmchen aus dem offenen Fenster wieder heraus-schieben, nächstes Kind vertrösten. Weiterfahren, schlechtes Gewissen haben.
Es ist schlimm für die Kinder, und auch nicht und zwar gar nicht schön für uns.

Blockade Nr. 7 : Eine Zerreißprobe

Nach unserem letzten Stop lagen ihre Nerven dann ein wenig blank. Wir konnten dieses mal die Bettelkinder nämlich nicht zufriedenstellen : sie warfen sich schreiend auf die Motorhaube. Es war ein Desaster. Trotz das wir ihnen irgendwelche Früchte abkauften, blockierten sie weiterhin, bis weitere 3 Autos hinter uns waren und so ein riesen Hupkonzert entstand, bis die Kinder endlich von der Motorhaube stiegen ; aus dem Weg gingen sie aber trotzdem nicht.

Nach fünfmaligem Androhen, das wir losfahren, hatten wir plötzlich ein Kind IM Auto sitzen, welches auf der Rückbank neben mir brüllte, weinte und fluchte. Ihm galt unsere volle Aufmerksamkeit , was wiederum Ablenkungsmanöver für eines der Anderen war, sich mal eben so durch das Fenster in den Fahrerraum zu lehnen und die Finger um die Tasche der Beifahrerin Jenny zu legen. Ein Mexikaner aus einem der anderen Wagen erschien urplötzlich und nahm das hintere Kind schreiend und sich wehrend aus dem Auto raus, während wir unsere Taschen verteidigten.

Durch den Trubel war der Weg endlich frei von Kindern und wir düsten los, durch das gespannte Stoffseil-Dingens durch.

Auch die moralische Grenze war zerfetzt.

Im Rückspiegel sah ich den Kindern noch zu, wie sie den Stoff wieder einsammelten und wie unser "Held" auch wieder in`s Auto stieg. Wir waren völlig perplex - was ist passiert, wie ist das Kind auf den Rücksitz gekommen?

Obwohl wir längst viel zu spät waren, hielten wir mitten auf der Straße nach 1 km an um Luft zu nehmen. Daniela ging erstmal ein paar Schritte um wohl mal ordentlich zu heulen und 3 Zigaretten nacheinander zu fluppen. Denn so eine Situation ist besonders für den Fahrer schlimm. Es war, als wollte uns Jemand unser Moral-Gleichgewichts-Sinn mal gehörig durchrütteln. Geschafft. 100 verschiedene Gefühle zu den Kindern und ihrer Situation, zu unserem Verhalten. Aber was soll man denn tun?

Entwarnung :
Obwohl Dani viel in Mexiko fährt und sich damit auskennt, so aufdringliches Verhalten hatte sie noch nie mit erlebt. Also vielleicht und hoffentlich, war dies eine schlimme Ausnahme.

Das Patentrezept für die Situation?

Wir haben noch viel drüber geredet, ja sogar gestritten. Einer war der Meinung, nie mehr auch nur ein Fenster für Straßenbettler herunter zu lassen, der andere wäre niemals nicht durch das Stoff-seil gefahren, eher und lieber zurück. Wieder der nächste findet es ja sowieso falsch Betteln zu unterstützen, man sollte sich was anderes einfallen lassen. Wir waren schlichtweg überfordert.

Wir konnten uns weder in der Situation, noch am Tag darauf einigen, wie man mit sowas umgeht. Ruhig am Besten, logisch. Aber weiter? Es gibt kein Patentrezept. Ethische Fallbesprechungen würden sich an so was die Zähne ausbeißen.

Die vorherrschende Meinung zum Thema bettelnde Kinder :

KEIN Geld geben.
Diesen Ratschlag liest man überall und ist z.B. auch die Expertenmeinung von den SOS-Kinderdörfern weltweit zu diesem Thema, welche ihr hier gerne nachlesen könnt. Alles leuchtet total ein, man weiß ja, sie sollen in die Schule gehen! Aber dann steht man an der x-ten Straßensperre, schaut in traurige und später böse Kinderaugen und ...

Lies bei humanium Generelles über Kinderarmut und Kinderrechte in Mexiko.
Oder informiere dich und spende bei terre des hommes - Hilfe für Kinder in Not.

Agua Azul wartet.

Unsere Nerven waren Gott sei Dank schnell beruhigt. Denn der Herr, der uns mit den Kindern geholfen hatte hielt an und leistete uns kurz Gesellschaft. Dani spricht fließend Spanisch und so kam schnell heraus, das dies die letzte Ortschaft vor Agua Azul war, bei denen mit so etwas zu rechnen ist. Das wäre auch der Grund, warum diese Kinder besonders verzweifelt gewesen wären - sämtliche Touristen hätten dort längst die Nase voll davon : sie geben nichts mehr. Die Kinder seien antrainiert, schier wahnsinnig vor Versagensangst.

Wir entschieden uns dafür weiter zu fahren. Den Tag noch zu genießen. Nein, wir stempeln es nicht einfach ab, wir können ihnen aber schlichtweg nicht helfen. Zumindest nicht in dieser Situation. Wollen uns nicht ausrauben lassen, können sie auch nicht einfach da weg holen. Geht nicht.

Endlich da : Agua Azul.

30 Minuten später standen wir auf einem recht gut beparkten Gelände vor dem Eingang. Wir kauften uns von allen herbeieilenden Mexikanern mit Essens- Körben und- Stangen alles Mögliche. Platanos (frittierte Bananen), Obst, irgendwelche Küchlein, Kokosnüsse. Hauptsache die Einheimischen unterstützt - aber geschmeckt hat`s auch. Nach dem Essen waren wir dann alle drei wieder fröhlicher Stimmung.
Eintritt bezahlten wir 55 Pesos p.P. , das sind lachhafte 2,50 Euro.
Spätestens als wir vor dem ersten großen Fall standen, waren die Kinder vergessen, was ich einerseits befreiend UND bedenklich finde. Aber seht selbst, das würde euch auch ablenken :
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beeindruckend mächtig

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Der Weg durch den Park führt über Steintreppen und Holzwege, von unten nach oben. Während die Becken unten sehr groß, die Strömung des Flusses stark und die Fälle gigantisch sind, wird es oben immer ruhiger. Kleinere Kaskaden hier und da, weniger Menschen, weniger Verkaufstände. Diese tummeln sich im unteren Bereich sehr stark.
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"kleinerer" Wasserfall weiter oben ;-)

Bei unserem Besuch war das Wasser nicht so azurblau wie viele Internetseiten und Anbieter es versprechen. Einen Abbruch hat das unserem Ausflug aber nicht getan. Wir 3 Ladys hatten einen Megaspass, vor allem am oberen Teil, wo wir ein ganzes Becken zum Schwimmen für uns hatten.

Wunderbares Agua Azul.

Wir spazierten, sahen großartige Fälle, schwammen, lachten uns kaputt - waren dann wieder traurig wegen den Kindern - und ulkten dann wieder herum. Es war ein wunderschöner Nachmittag. Natur, zwitschernde Vögel, das tosende Plätschern der vielen Fälle : als wäre die Welt noch in Ordnung.
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Ein Hoch auf uns Mädels!

Diese 2 wunderbaren Ladys, Jenny und Dani, sind übrigens absolute Hammer Frauen. Die Eine echte Power-Frau und gestandene Auswanderin, die andere auf einer Lebens-verändernden Sinnsuch-Reise - mit 60 Jahren. Hat einfach alles verkauft und ist allein drauf los gereist, mit 60. Schläft in Dorms und hilft, unterhält, beratschlagt, betüttelt und ringt zwischendurch mit ihren eigenen Marotten, die sie fein säuberlich jeden Morgen aufschreibt - und angeht! Diese Frau hat mit 60 angefangen zu reisen, auszugehen, zu meditieren, eine Sprache zu lernen ; Zisch neue Sachen hat sie zum Allerersten Mal gemacht.
Diese Beiden sind Paradebeispiele für ganz tolle Begegnungen auf Reisen. Ich hatte die große Freude, 2 Wochen meines Lebens mit ihnen zu teilen. Und die ein oder andere Geschichte, wie diese hier.
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Danke euch, ihr 2 Klasse-Frauen

Fazit zu den Wasserfällen Agua Azul.

Die Wasserfälle haben nicht umsonst den Ruf, die schönsten in Mexiko zu sein : sie sind atemberaubend!
Was wir bei der Anreise erlebten, nehme ich mit durch mein Leben. Hinten irgendwo im letzten Ecken meines Hirns, meldet es sich hin und wieder wenn ich vergessen habe dankbar zu sein. So wie manch andere Situationen meiner Reise auch. Dankbar, wir sollten alle dankbarer sein.

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Ich freue mich über deine Erfahrung zum Thema!